Der Osten und die Demokratie


Was wir zurzeit sehen ist ein desaströses Bild der Demokratie im Osten. Aber warum, es fing doch alles so gut an.

Tat es das?

Nach der Implosion der DDR waren viele froh endlich Geld in den Händen zu halten, mit dem man was anfangen konnte. DDR Geld war selbst im Ostblock nichts Wert und man handelte lieber mit begehrten meist mechanischen hochqualitativen Werkzeugmaschinen der DDR oder Industrierobotern die damals der Osten auf Weltniveau entwickelte.

Glasperlen fürs Land.

Kurz nach der Einführung der D-Mark im Osten brachen fast alle alten Industriestrukturen zusammen. Werke würden übereignet oder für symbolische Beträge 1,– DM an Westinvestorin „verkauft“. Auch wenn das Werk nichts wert war, die Liegenschaften waren es schon damals. Nur konnte meist kein Ossi mit Glasperlen seine ehemaligen Werke bezahlen, das wurde vornehmlich fast ausschließlich den Leuten überlassen, die sich mit dem Business aus kanten. Nach 20 Jahren hat sich in vielen Fällen das Investment um den Faktor 100.000 vermehrt oder noch viel höher. Strukturinvestitionen haben die Steuerzahler Gesamtdeutschlands zahlen müssen.

Investitionen in Regionen, die sich unvermeidlich weiterentwickeln werden, bieten immer die Möglichkeit, Gewinne zu erzielen – vorausgesetzt, man denkt langfristig. Im Gegensatz zum Westen, wo der wirtschaftliche Boom bereits seit geraumer Zeit abgeschlossen ist, birgt jede Investition ein gewisses Risiko, und es bleibt ungewiss, ob sich diese letztendlich auszahlen wird.


Ein erheblicher Teil der Ostbürger beschäftigte sich zu dieser Zeit intensiv mit den Arbeitsämtern und dem finanziellen Überleben. Neben den finanziellen Schwierigkeiten traten auch fehlende Identifikationsmöglichkeiten auf. Wenn die Arbeit, die einen großen Teil des Lebens ausmacht, wegbricht, fehlt ein wesentlicher Bestandteil der Selbstidentifikation.

Bürgerbewegungen die Demokratie und Selbstbestimmung in die Hand nahmen, wurden mit der Wiedervereinigung praktisch weggewischt. Neues Forum, Demokratie Jetzt, Ideenfabriken, die weder das kapitalistische westliche Vorbild noch an den kommunistischen Strukturen festzuhalten wollten, wurden praktisch enthauptet. Es gab nicht einmal eine neue gemeinsame Verfassung, so wie es im Grundgesetz der BRD in Art 146 verankert ist. Es gab nur „neue Bundesländer“, ein netter Trick um klar zumachen, wo der Hammer hängt und wer ihn schwingt.

Der Osten hatte also weder auf finanzieller Ebene noch politisch in der neuen Demokratie etwas zu sagen. Am Tisch der Entscheider saßen immer etablierte Westdeutsche Strukturen nie ostdeutsche. Maximal noch in kulturellen Institutionen, der elektronischen Musik oder Festivals wie die Fusion waren 100 % Ostdeutsche Phänomene in den sich die ehemaligen DDR-Bürger in Utopien ausleben konnten. Utopien, weil eine echte Beteiligung an demokratische Teilhabe nie erwünscht noch praktizierbar war, zumindest nicht für den Großteil der ostdeutschen Bevölkerung, da half auch eine Merkel nicht weiter. Alles das, was man dem Osten jetzt vorwirft, war nie für ihn gemacht und es gab ja eigne demokratisch aktive und enthusiastische demokratische Strukturen, die schnell vereinnahmt, oder komplett ausgegrenzt wurden. (Die Linke)

Der Osten sollte nie mitbestimmen. Das sieht man selbst in einem öffentlich-rechtlichem Sender dem RBB im Osten Deutschlands, in dem weder in den Chefetagen noch im mittleren Management Ostbiografien zu finden sind. Es gibt ein paar Moderatoren und lustige Ossis, das war es aber dann schon.
Selbst in der AfD ist 99 % des Personals westdeutsch in der Spitze zu 100 % und agitiert im Osten Deutschlands.

Weder im mittleren Management noch in den Chefetagen findet man ostdeutsche Biografien, maximal in den Bereichen der Kultur gibt es vereinzelt auch Ost sozialisierte Bürger.


Die Startbedingungen für Kinder in Ostdeutschland im Vergleich zu Westdeutschland könnten kaum unterschiedlicher sein. Startups haben es im Westen deutlich leichter, neu zu gründen, während ostdeutsche Jungunternehmer oft vor größeren Herausforderungen stehen. Viele Eltern in Ostdeutschland verfügen nicht über finanzielle Reserven in Form von Immobilien oder ähnlichem, was die Gründung eines Unternehmens zusätzlich erschwert. Zudem bilden sich Netzwerke und Strukturen häufig um diejenigen, die bereits Teil des „Clubs“ sind, und nicht um die Outsider. In Bereichen wie Filmprojekten und Kultur stellt sich die Frage: Wer kann am besten auf der Tastatur der Landeskulturfördertöpfe spielen?


Kurz gesagt, selbst nach 34 Jahren sind die ungleichen Startbedingungen teilweise immer noch frappierend und stehen in starkem Kontrast zu den Verhältnissen, in den 34 Jahren bis heute.

All dies wird zusätzlich durch Irritationen wie die Corona-Pandemie verstärkt, die vielen letztendlich das Vertrauen in ein demokratisches Miteinander genommen hat. Diese Faktoren tragen dazu bei, dass sich der Osten zunehmend von den demokratischen Strukturen abwendet – Strukturen, zu denen man sich nicht nur gefühlt nie zugehörig gefühlt hat. Viele wenden sich bewusst von der Demokratie ab, auch wenn sie sich damit selbst schaden, indem sie West-Faschisten wählen.

Das ist in der Tat eine sehr gefährliche Situation. Wie immer geschieht so etwas nicht einfach ohne Grund, es hat tiefere Ursachen, die ich versucht habe, grob aus der Ostperspektive zu skizzieren. Der Osten hat das Potenzial, sowohl negativ als auch positiv wegweisend für Europa zu sein. Wenn der Osten in eine faschistische Richtung kippt, könnte das weitreichende Folgen für ganz Europa haben. Will man das wirklich? Ich ganz sicherlich nicht.

Das Unrecht, das dem Osten angetan wurde, lässt sich nicht einfach wiedergutmachen. Dennoch sollte den Menschen, die hier groß geworden sind und das Land geprägt haben, Entscheidungsgewalt und Selbstbestimmung zugestanden werden. Die Kultur, die Einzigartigkeit und das gesamte Flair dieser Region sind von großer Bedeutung. Wenn man dies nicht anerkennt, kann das in einer sehr negativen Weise zurückschlagen. Es geht also um echte Selbstbestimmung und demokratische Teilhabe, die nicht durch westliche Strukturen vorgegeben sind, sondern gleichberechtigt wirken. Was läge da näher, als die Einführung direkter demokratischer Strukturen? Selbstverwaltung und Basisdemokratie. Mehr echte direkte Demokratie ist die Antwort auf die Fehler der Vergangenheit.